Eine Einführung in die Malerei der Künstlerin Cornelia Regine Prawitt,
|
|
„Sicht des Nichtoffenbaren: das Erscheinende"1 Diese Aussage, die man so in Eric Kandels Buch: „Das Zeitalter der Erkenntnis“ finden kann und die auch „Die Sicht des Nichtoffenbaren hinter dem Erscheinenden“2, wie bei Stephan Körner, lauten könnte, wird dem griechischen Philosophen Anaxagoras, der um 500 vor Christus gelebt hat, zugesprochen. Anaxagoras forderte auf, das Phänomen hinter dem Phänomen zu suchen. Diese Aufforderung finden wir ebenfalls in der Intention des künstlerischen Schaffens der zeitgenössischen Künstlerin Cornelia R. Prawitt wieder. Prawitt hat sich zur Aufgabe gemacht, das Nichtsichtbare abzubilden oder zu verdeutlichen, sie möchte hinter die Fassade blicken und dies auch dem Betrachter des Werkes gestatten. Der alte Lehrmeister Anaxagoras trennte in seinen philosophischen Betrachtungen Naturforschung von der Religion oder Spiritualität. Prawitt greift in ihren Werken Elemente der Philosophien und Naturforschungen auf; trennt sie jedoch nicht von den Religionen sondern verbindet sie zu einem Ganzen, was ihrer Malerei eine leuchtende Spiritualität verleiht. In ihrer Ausbildung auf der Kunsthochschule Nürtingen 1985-1989 waren ihre Schwerpunkte während des Studiums im Besonderen die expressive Portrait- und Figurenmalerei in Öl. Später bezog sie sich auf den Abstrakten Expressionismus eines Willem de Koonings als Inspirationsquelle; in dem die Emotion wichtiger ist als die Perfektion; und tatsächlich können wir in einigen Werken Prawitts Anlehnungen an die Formensprache de Koonings erkennen. Bei aller Inspiration durch die Spontaneität und Expressivität des Abstrakten Expressionismus, der das Schaffen des Künstlers in den Vordergrund stellt, ist Prawitt in ihrem Berufsleben jedoch auch um den Betrachter und die Erkenntnis oder dessen Erkenntnis bemüht. Und dies ist offenbar Prawitts zweitem Studium, dem an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg, geschuldet. So finden wir in ihren Intentionen auch eine Linie zu den Impressionisten und Einflüsse der Wiener Moderne, ob bewusst oder unbewusst. Bekanntermaßen wollten auch die impressionistischen Künstler und Künstlerinnen das Nichtsichtbare zeigen, beeindruckt durch die naturwissenschaftlichen Forschungen und technischen Errungenschaften ihrer Zeit; denken wir an die Teilchenphysik und die Elektrifizierung! Es war ein Anliegen der impressionistischen Künstler und Künstlerinnen, die Materie, Licht und Luft, auf ihre Werke zu zaubern. Die zum Teil gleichzeitige wie auch spätere Wiener Moderne und der ihnen zugeordneten Künstler und Künstlerinnen waren besonders beeindruckt von Forschungen und Erkenntnissen Siegmund Freuds und anderer Ärzte, wie Carl von Rokitansky, dem Leiter der Wiener Medizinischen Schule um 18503. Auch sie hatten das Bemühen das Phänomen hinter dem Phänomen zu suchen und es entwickelte sich eine fundierte medizinische Forschung und Diagnosetechnik wie auch Analyse, von der auch die Kunstkritik beeinflußt wurde. In den Wiener Zirkeln dieser Zeit profitierten Künstler von dem interdisziplinären Austausch der Wissenschaftler, wie man modern sagt; sie hörten von deren Forschungen um 1850 und der folgenden Jahrhundertwende, die sonst nur Fachkreisen vorbehalten war. Die Künstler und Künstlerinnen der Wiener Moderne waren inspiriert von diesen Forschungen und wollten unter die Oberfläche schauen und Gefühle darstellen, wie wir beispielsweise in den Werken Gustav Klimts sehen. Große Themen dieser Zeit waren die Dynamik, die Evolutionstheorie und Fortpflanzung, Sexualität und die Sexualsymbolik. |
|
„Götterfunke", Acryl/ Öl auf Leinwand, 120 /116 x 180cm, 2014 |
|
In ihrem Werk mit dem Titel „Götterfunke“, einem Triptychon, fordert Prawitt den Betrachter auf, sich mit diesen Themen zu befassen. Wir sehen auf der linken Seite eine Form wie ein Schlüsselloch, das für Neugier oder Forschungsdrang stehen könnte. Prawitt regt mit diesem Symbol an, das Phänomen hinter dem Phänomen zu suchen. Gleichzeitig könnte das Symbol auch im Sinne des aufgegriffenen Fortpflanzungsgedanken für ein Schlüssel-Schloß Prinzip der Genetik stehen. Hier bezieht sich Prawitt thematisch auf die Zeit der Wiener Moderne und die Begründungen der Medizinischen Forschung wie auch der Evolutionsforschung. Ringsherum um dieses Schlüssellochsymbol reihen sich in ihrem Bild Formen, die man als Vogelarten identifizieren kann, jedoch ist alles in der Entstehung, in einer eigenen Dynamik und verbindet sich mit anderen Formen wie beispielsweise dargestellte Eier oder Schlangen; Prawitt erzählt uns von der Entstehung der Arten. Im rechten Bilddrittel sehen wir Anklänge an den Kubismus, wie ihn Franz Marc oder Georges Braque eingesetzt haben. In dieser Stilrichtung des Expressionismus standen nicht nur Farben und Formen im Vordergrund; durch die Zersplitterungstechnik wurde auch die traditionelle Perspektive aufgelöst und man erreichte mehrere Perspektiven in einem Bild. In Prawitts Bild scheint die Oberfläche an dieser Stelle aufgefaltet, als solle man darunter schauen und das Phänomen hinter dem Phänomen suchen. |
|
|
|
Der Malprozess Prawitts an sich wird in dem Werk mit dem Titel „Erdensommer“ noch deutlicher. Dieses Bild, gemalt in Öl auf Leinwand, wirkt wie aus sich geboren; ausgespuckt in einem Malprozess, in dem die Individualität der Künstlerin scheinbar eine untergeordnete Rolle spielt. Als sei es aus sich selbst entstanden und hätte nicht anders entstehen können, sehen wir einen Baum oder einen Pilz, wie aus Magma, aus dem Erdinneren eruptiv ausgeworfen; eine Mischung von Teilchen mit einer gewaltigen Dynamik. Dieser Dynamik folgt auch die Farbwahl, vorherrschende Farben des Werkes sind Orange und Gelb; gefolgt von zartem Himmelblau. Dieses Werk wirkt wie Materie, die sich mischt und aufeinander sowie miteinander reagiert. Links im Bild sehen wir imaginäre Krabben in Orange, wie aus einem Urmeer entstanden. Die Farbe Himmelblau kann für Wasser oder Sauerstoff stehen, das oder der sich allmählich in Blasen einlagert. Eine menschliche Gestalt ist zu sehen, die sich aufrichtet, im unteren Bildrand sehen wir Kinder oder Säuglinge, die wie verpuppt auf ihre Erweckung warten. Es sind auch Schmetterlinge auszumachen, als Symbole für Maria und die Liebe wie auch Leichtigkeit. Zusammenfassend können wir sagen, dass Cornelia R. Prawitt Einflüsse der Philosophien, wissenschaftlicher Erkenntnisse und künstlerischer Strebungen Raum in ihrem Werk lässt, dabei trennt sie nicht Naturforschungen von der spirituellen Dimension. Bei aller Offenheit für die Naturforschungen und philosophischen Betrachtungen schafft sie eine Symbiose; spannt einen Bogen zur Sakralen oder Spirituellen Kunst, wie man auch an der Wahl der Form des Triptychons für ihr Werk „Götterfunke“, welches an Altarabbildungen erinnert, sehen kann. © Nana Aue |
|
1) Eric Kandel: „Das Zeitalter der Erkenntnis. Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute“, München 42012, S. 49 2) Stephan Körner: Beiträge zur Philosophie, in (=Grazer philosophische Studien; Rudolf Haller Hrsg.; Bd 20) Amsterdam 1983, S. 37 3) Eric Kandel: „Das Zeitalter der Erkenntnis…“, ebd. S. 44f.
|
|
Ein Bericht aus: ARTPROFIL - Magazin für Kunst, Heft 109-2015 |
|
PresseartikelSüdkurier, Sigmaringen, “Sie liebt die kräftigen Farben” Nov. 2010 >> PDF
|